10. September 2014

Neues Gesetz für den Strafvollzug in den Ländern Rheinland-Pfalz und Saarland ist nicht unbedingt ein Erfolgsmodell?

Gewaltexzesse hinter den Mauern können jederzeit auch in den Vollzugseinrichtungen im Saarland und Rheinland-Pfalz vorkommen

Eigentlich hatte die Gewerkschaft über die Erfahrungen mit dem neuen Gesetz berichten wollen, zunächst aber war die Massenschlägerei in der Jugendstrafanstalt Adelsheim in Baden-Württemberg Thema der Expertenrunde. Die Tatsachen, 50 sich prügelnde Häftlinge, 16 Beamte vor Ort, die regelrecht von dem Spontanausbruch der Gewalt überrollt wurden, sechs verletzte Kolleginnen und Kollegen, haben auch die Vollzugspraktiker aus Rheinland-Pfalz und dem Saarland schockiert. Nach Aussagen - der beiden Landesvorsitzenden Winfried Conrad (Rheinland-Pfalz) und Markus Wollscheid (Saarland) - kann auch an Rhein und Saar jederzeit die Gewalt eskalieren.

Ansätze dazu gab es schon in Rheinland-Pfalz als sich Gruppen von Inhaftierten im Freistundenhof der JVA Diez prügelten, auch ein massiver Gewaltausbruch von zwei Jugendlichen in der Jugendstrafanstalt in Schifferstadt, durch den drei beteiligte Bedienstete schon seit Monaten erkrankt sind, geben Anlass zur Sorge.
Weiterer Personalabbau – wie in beiden Ländern geplant – wird die Situation, so die Landesvorsitzenden, noch verschärfen.
Nicht nur in Baden-Württemberg, auch die Bediensteten in Rheinland-Pfalz und im Saarland fragen sich: „Wie sicher bin ich an meinem Arbeitsplatz?“

Das Gesetz zur Weiterentwicklung von Justizvollzug- Sicherungsverwahrung und Datenschutz/ Rheinland-Pfalz und das Saarländische Strafvollzugsgesetz sind jetzt seit über einem Jahr in Kraft und es sei an der Zeit, so die Strafvollzugsgewerkschaftler, die positiven und negativen Auswirkungen der neuen gesetzlichen Regelungen zu beleuchten. Neben den beiden Landesvorsitzenden Winfried Conrad (Rheinland-Pfalz) und Markus Wollscheid (Saarland) standen bei dem Pressetermin in Homburg/ Saar auch kompetente Vollzugsprofis beider Länder den Pressevertretern Rede und Antwort.

Zu wenig Fachkräfte – Personalabbau auch im Behandlungsbereich – Dokumentationswut statt notwendige Behandlung und Betreuung – unerfülltes Wunschdenken bei der Sicherungsverwahrung - so fällt das kurze Fazit der Teilnehmer des Pressetermins aus.

Vor Inkrafttreten des Gesetzes hatten Neuerungen die Gemüter der im Strafvollzug Tätigen und der Gewerkschafter erzürnt!

Aberwitzig erschien insbesondere, dass in dem neuen Gesetz die Arbeitspflicht der Gefangenen entfallen soll. Hier sahen die Gewerkschaftler die Gefahr, dass die vielseitigen Arbeitsbetriebe in den Vollzugsanstalten wegen „Personalmangels an Gefangenen“ geschlossen werden müssen. Einkünfte aus der Arbeit der Gefangenen, die diese bisher für den Unterhalt der Familie, der Schadenswiedergutmachung und für die Zeit nach der Entlassung verwendet wurden, stünden zukünftig nicht mehr zur Verfügung, so die Befürchtungen. Auch ein gewichtiger Teil der Einnahmen aus dem Bereich der Gefangenenarbeit flössen nicht mehr dem Landeshaushalt zu!
Dazu vermeldeten die Gewerkschaftler zunächst keine gravierenden negativen Entwicklungen. „ Derzeit halten sich die Behandlungsangebote – entgegen der Ankündigung und Planung des Ministeriums - noch in Grenzen und an der Arbeitslage hinter Gittern hat sich nichts Wesentliches geändert“ kommentierte Landesvorsitzender Winfried Conrad die aktuelle Situation. Inwieweit die Befürchtungen der Gewerkschaft eintreten, müsse man die Entwicklung der nächsten Jahre abwarten.

„Auf der einen Seite wird gespart – auch bei der Sicherheit im Vollzug - auf der anderen Seite wurde hier ein Gesetz auf den Weg gebracht, welches erheblich mehr Personal erfordert“, kritisiert Markus Wollscheid Landesvorsitzender aus dem Saarland.
Dazu käme noch, dass die im Behandlungsmanagement tätigen – Sozialpädagogen/ Sozialarbeiter/ Psychologen und die Vollzugsabteilungsleiter unter der Dokumentationslast stöhnen und sich mehr Zeit für den zu erfüllenden Behandlungsauftrag wünschen.
Markus Stahl – tätig in der Vollzugseinrichtung Diez, wo für beide Länder der Unterbringungsbereich für die Sicherungsverwahrten für fast 20 Millionen Euro gebaut wurde – berichtete über die aktuelle Situation. Insgesamt 45 Verwahrte, davon 15 aus dem Saarland müssten von den dortigen Bediensteten betreut werden. Die neuen gesetzlichen Vorgaben würden die Arbeit nicht einfacher machen, erläuterte Stahl – keine Möglichkeit Fehlverhalten eines Verwahrten zu ahnden – Behandlungsziele die nicht zu erfüllen seien – immer jüngere Verwahrte ohne Perspektiven und fast über 200 begleitete Ausgänge im Jahr (nach dem Gesetz stehen jedem Verwahrten mindestens 4 Ausgänge zu ) erfordern viel Engagement der dort Tätigen.

Die Gewerkschaft Strafvollzug, in der fast 70 Prozent der rheinland-pfälzischen und saarländischen Strafvollzugsbeschäftigten organisiert sind, fordern einen Stopp des Personalabbaus, eine Verbesserung der Arbeitsumstände, mehr Fortbildungsmöglichkeiten und eine dem neuen Gesetz angepasste Ausbildung der uniformierten Bediensteten. „Die von Minister Hartloff geplante Verkürzung der Ausbildungszeit von zwei Jahren um 4 Monate auf 20 Monate ist der falsche Weg“, so Conrad. Neben den Kollegen Markus Stahl vertraten auch Kollegin Daniela Ruf und Kollege Hagen Paulus die Interessen des BSBD Rheinland-Pfalz während des Pressetermins.