29. September 2025

BSBD Rheinland-Pfalz zu Gast in Polen

Vom 17. bis 20. September 2025 folgten die Landesverbände des BSJ und BSBD Rheinland-Pfalz der Einladung unserer polnischen Freunde von der Gewerkschaft NSZZ. Anlass war das 35-jährige Jubiläum der NSZZ, welches am 19. September mit einem großen Festakt in Warschau gefeiert wurde. Neben den Feierlichkeiten stand auch ein länderübergreifender fachlicher Austausch auf dem Programm, der durch den Besuch der Justizvollzugsanstalt Bialoleka sowie der Zentrale für die elektronische Fußfessel in Warschau bereichert wurde.

Besuch der JVA Bialoleka

Bialoleka ist ein Stadtteil Warschaus mit einer großen Justizvollzugsanstalt, in der rund 1.700 Gefangene inhaftiert sind, welche von ca. 500 Bediensteten betreut werden – der Frauenanteil bei den Bediensteten liegt bei etwa 25 Prozent. Die Anstalt verfügt über zehn Hafthäuser, von denen eines als Schule genutzt wird. Dort können Gefangene Schulabschlüsse bis hin zum Abitur nachholen und an Fortbildungen teilnehmen, sofern die Haftdauer mindestens vier Jahre beträgt.

In den vergangenen Jahren hat sich der Strafvollzug in Polen stark verändert. Heute werden in der JVA Bialoleka in der Regel vier Gefangene auf rund 12 m² untergebracht. Einzelzellen sind die Ausnahme und werden nur in besonderen Fällen, etwa aus gesundheitlichen Gründen oder bei guter Führung, gewährt.

Die Ausstattung der Zellen ist spartanisch: Fernseher können über die Anstaltsleitung beantragt, müssen aber dann selbst beschafft werden. Telefonate sind einmal pro Woche für zehn Minuten erlaubt, Besuche zweimal im Monat für jeweils eine Stunde. Freistunden finden in Gruppen von bis zu 25 Gefangenen in voneinander getrennten Höfen statt. Dabei wird insbesondere auf die Trennung nach Nationalitäten, Deliktarten und Gruppenzugehörigkeiten geachtet. Überwacht wird die Freistunde von einem Bediensteten auf einer Brücke, der mit einer Waffe mit Gummigeschoss ausgestattet ist.

Die Eindrücke vor Ort machten deutlich, dass der polnische Strafvollzug in erster Linie auf Sicherheit und Ordnung ausgerichtet ist. Zwar gibt es auch behandlungsorientierte Angebote, diese sind jedoch nicht mit dem Umfang in deutschen Justizvollzugsanstalten vergleichbar.

 

Besuch der Zentrale für die elektronische Fußfessel

Ein besonderer Programmpunkt war der Besuch der Zentrale für die elektronische Fußfessel in Warschau. Hier empfing uns General Pawel Nasilowski höchstpersönlich und nahm sich über vier Stunden Zeit, um uns das System in all seinen Facetten vorzustellen.

Die elektronische Überwachung von Gefangenen wurde in Polen vor etwa 20 Jahren eingeführt. Zu Beginn erfolgte die Betreuung durch private Anbieter, sowohl in technischer als auch in organisatorischer Hinsicht. Schrittweise ging das System jedoch in staatliche Verantwortung über. Zunächst wurden die Arbeit auf Vollzugsbediensteten übertragen, später folgte die komplette Hard- und Softwarebetreuung durch staatliche Stellen. Parallel dazu wurde eine klare gesetzliche Grundlage geschaffen, sodass heute ein vollständig staatlich betriebenes System besteht.

Aktuell sind in Polen rund 7.000 Inhaftierte mit der elektronischen Fußfessel überwacht, die Gesamtkapazität liegt bei 10.000 Gefangenen. Demgegenüber stehen etwa 300 speziell geschulte Bedienstete, die in drei Aufgabenbereiche aufgeteilt sind:

·         Administration, die für die rechtlichen und organisatorischen Rahmenbedingungen verantwortlich ist,

·         die Zentrale in Warschau, in der alle Daten und Bewegungen der überwachten Personen zusammenlaufen und analysiert werden, sowie

·         30 mobile Kontrollteams, die im gesamten Land verteilt sind und kurzfristig vor Ort Überprüfungen durchführen.

Die Steuerung, Koordination und Kontrolle erfolgen vollständig aus der Zentrale in Warschau. Dort werden nicht nur Verstöße gegen Auflagen sofort registriert, sondern auch Einsatzkräfte im Bedarfsfall direkt gesteuert. Durch diese Struktur ist eine engmaschige, hochprofessionelle Überwachung gewährleistet. Besonders beeindruckend war der hohe Sicherheitsstandard: Von der redundanten IT-Infrastruktur über die technische Ausstattung der Bediensteten bis hin zu den exakten Protokollen im Falle von Regelverstößen wurde das Sicherheitsniveau deutlich, das in dieser Form weltweit seinesgleichen sucht.

General Nasilowski stellte nicht nur die technischen Details dar, sondern auch die gesellschaftliche Bedeutung des Systems. Die elektronische Fußfessel ermöglicht es, Freiheitsstrafen unter bestimmten Voraussetzungen (maximal 18 Monate Haft) in den häuslichen und familiären Bereich zu verlagern, wodurch Haftanstalten entlastet und Resozialisierungschancen verbessert werden. Gleichzeitig bleibt die Sicherheit der Bevölkerung durch die engmaschige Kontrolle gewährleistet.

Für uns war dieser Einblick überaus lehrreich: Die Kombination aus moderner Technik, klaren gesetzlichen Strukturen und einem hohen Maß an Professionalität der Bediensteten hat uns nachhaltig beeindruckt.

Ein besonderer Dank gilt General Nasilowski für seine umfassende Präsentation, die offene Diskussion und die wertschätzende Art, mit der er uns begegnete.

 

Feier zum 35-jährigen Jubiläum der NSZZ

Am Freitag, den 19. September, fanden dann die Feierlichkeiten zum 35-jährigen Bestehen der NSZZ statt. An der Veranstaltung nahmen Delegierte aller Bezirksvorstände sowie zahlreiche Gäste aus Politik, uniformierten Diensten, Wissenschaft und Medien teil. Auch die Gewerkschaften aus Deutschland, Tschechien, Litauen und der Slowakei waren vertreten.

Im Rahmen der Zeremonie wurden langjährige Gewerkschaftsaktivisten und Unterstützer für ihr Engagement geehrt. Edward Jasik erinnerte an die Geschichte der Gründung der NSZZ und betonte die Bedeutung von Solidarität, gegenseitigem Respekt und gemeinschaftlichem Handeln. Die Redebeiträge der Gäste würdigten die Erfolge der NSZZ und unterstrichen die wichtige Rolle der Gewerkschaft bei der Vertretung der Bediensteten im Strafvollzug.

Die Feierlichkeiten waren nicht nur ein Rückblick, sondern auch ein Signal für die Zukunft: Nur gemeinsam können Rechte wirksam verteidigt und der Strafvollzugsdienst weiterentwickelt werden.

Abschließend bleibt uns nur noch von Herzen DANKE zu sagen. Unser Dank gilt allen Beteiligten für die herzliche Aufnahme, die Gastfreundschaft sowie dem offenen Austausch und wertvolle Zeit. Es war für uns nicht nur ein Besuch in Polen, sondern ein Besuch bei Freunden.

 

BSJ Sascha Klein

BSBD RLP Stefan Ternes